„Leben Sie eigentlich von dieser Arbeit“, so fragte mich neulich jemand auf einem Seminar. Ich hatte dort kurz die IRHB und eines unserer aktuellen Projekte vorgestellt. Ich musste schmunzeln — sowohl über die Frage als auch über mich. Offenbar hatte ich irgendwie den Eindruck erweckt, dass da irgendwo finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, um unsere Arbeit zu finanzieren. „Nein“, so antwortete ich, „wir machen das einfach so. Wir finden die Arbeit wichtig und sie macht uns Spass.“ Am Abend dachte ich nochmal über diese Frage nach. Sie hatte einen vertrauten Gedanken an die Oberfläche gespült: Es gibt Dinge über die finanziellen Aspekte hinaus, die etwas „zum Leben“ beitragen können.
Natürlich fügte ich meiner Antwort einen meiner Standardsätze an: „Man kann sinnlosere Dinge in seinem Leben machen.“ Der Satz passt in vielen Situationen — hier aber stimmte er ganz besonders. Immer wieder stelle ich fest: Der Einsatz für gefährdete historische Bauten ist eine Arbeit, die durchaus eine Zufriedenheit auslösen kann. Nicht immer, aber eben doch ab und zu.
Freude an der Arbeit
Die Freude an dieser Arbeit ist dabei vielschichtig. Die grösste Befriedigung ist ohne Zweifel, wenn eines der Projekte, die wir unterstützen, gut ausgeht. So werde ich den Augenblick nicht vergessen, als ich die Meldung aus Dinkelsbühl las, dass man die Pläne für das unsägliche „Romantic Outlet“ aufgegeben hatte. Immerhin standen millionenschwere „Investoren“ und diverse grosskopferte CSUler felsenfest hinter dem Projekt.
Auch die Zeitungsmeldung, dass der historische Bahnhof auf der ostfriesischen Insel Juist nicht abgerissen werden sollte, gehört zu diesen guten Momenten. Nun, wir alle wissen: Es gab und gibt auch andere.
Neben den inhaltlichen Dingen unserer Arbeit kommt aber ein weiterer Aspekt hinzu: Ich treffe Menschen, die sich ebenfalls für den Erhalt historischer Bauten einsetzen. Ich habe tolle AktivistInnen kennengelernt, Menschen, mit denen das Gespräch und der Kontakt auch über unser gemeinsames Thema hinaus gegangen ist. Ich empfinde das als bereichernd für mein Leben.
Nicht alles wird gut
Auch hier gilt natürlich: Das ist nicht immer so. Ich erspare Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Details. Generell sei aber angemerkt, dass es immer wieder Menschen gibt, die unsere Sache nach dem Motto vorantreiben: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.
Damit muss ich klar kommen — und das fällt mir nicht immer leicht. Es sind auch Kontakte, die anfangs gut und herzlich waren, abgebrochen, weil jemand meinte, dass unser Einsatz für ein gefährdetes Bauwerk zu weit ginge. In der Regel wurde in diesen Fällen nicht verstanden, dass wir mit einer netten Pressemitteilung und Warten auf ein Wunder nichts für ein gefährdetes Bauwerk erreichen können. Wir müssen vielmehr dran bleiben an unseren Fällen — und uns etwas trauen.
Verantwortung übernehmen!
Wichtig ist es, dass wir begreifen: Wir haben es nicht nur mit desinteressierten EigentümerInnen, abgedrehten Bürgermeistern, durchsichtigen Wirtschaftsinteressen oder gar kriminellen Machenschaften zu tun. Nein, es sind nicht immer nur „die Anderen“, es ist auch häufig ein gesellschaftliches Problem, das direkt vor der eigenen Haustür liegt. Der Fall des Bacharacher Gerbhauses zeigt das gerade deutlich: Alle Verantwortlichen weisen die Verantwortung für den jämmerlichen Zustand dieses Hauses weit von sich. Dabei meine ich nicht die Eigentümer, die sich seit Jahren nicht kümmern, nein, ich meine unser gesellschaftliches Korrektiv, das solche Fälle ja eigentlich im Sinne der betroffenen Gemeinschaft regeln soll.
Dazu gehören auch die gewählten StadträtInnen in Bacharach, die lediglich auf die Verbandsgemeinde oder den Landkreis verweisen. „Wir haben alles Mögliche getan“, so ist zu hören. Und das soll’s dann gewesen sein? Irgendwann wird das Gerbhaus zusammenfallen und das wird dann so akzeptiert werden? Wir waren ja nicht verantwortlich, so wird es dann heissen.
Konkret bedeutet das im Fall des Bacharacher Gerbhauses, dass niemand in Bacharach sich traut, in einen Baumarkt zu gehen, ein Stück Rohr für 6,59 Euro zu kaufen und das im März 2018 auf die Strasse gefallene Rohr zu ersetzen. „So etwas machen wir nicht!“, meinte eine neulich Bacharacherin mit engem Bezug zum Stadtrat energisch, ja fast entrüstet am Telefon.
Das ist nicht nur ein bedauerlicher Mangel an Zivilcourage, das ist auch kurzsichtig für die Zukunft der Stadt Bacharach!
Wenn sich denn doch jemand in Bacharach finden sollte, der das Fallrohr in Eigeninitiative ersetzen möchte: Wir von der IRHB würden das Rohr bezahlen. Denn irgendwie „leben“ wir dann ja doch von unserer Arbeit als AktivistInnen. Wenn auch im übertragenen Sinne: Für uns ist es eine wichtige Motivation, wenn sich Menschen vor Ort für ihre historischen Bauten interessieren und einsetzen.
Wir können uns nicht vorstellen, dass es in Bacharach nur Menschen gibt, die „so etwas nicht machen“. Also: Wo ist der nächste Baumarkt in der Nähe Bacharachs?