So etwas machen wir nicht!

Editorial: Frank Jermann„Leben Sie eigent­lich von die­ser Arbeit“, so frag­te mich neu­lich jemand auf einem Semi­nar. Ich hat­te dort kurz die IRHB und eines unse­rer aktu­el­len Pro­jek­te vor­ge­stellt. Ich muss­te schmun­zeln — sowohl über die Fra­ge als auch über mich. Offen­bar hat­te ich irgend­wie den Ein­druck erweckt, dass da irgend­wo finan­zi­el­le Mit­tel zur Ver­fü­gung stün­den, um unse­re Arbeit zu finan­zie­ren. „Nein“, so ant­wor­te­te ich, „wir machen das ein­fach so. Wir fin­den die Arbeit wich­tig und sie macht uns Spass.“ Am Abend dach­te ich noch­mal über die­se Fra­ge nach. Sie hat­te einen ver­trau­ten Gedan­ken an die Ober­flä­che gespült: Es gibt Din­ge über die finan­zi­el­len Aspek­te hin­aus, die etwas „zum Leben“ bei­tra­gen können.

Natür­lich füg­te ich mei­ner Ant­wort einen mei­ner Stan­dard­sät­ze an: „Man kann sinn­lo­se­re Din­ge in sei­nem Leben machen.“ Der Satz passt in vie­len Situa­tio­nen — hier aber stimm­te er ganz beson­ders. Immer wie­der stel­le ich fest: Der Ein­satz für gefähr­de­te his­to­ri­sche Bau­ten ist eine Arbeit, die durch­aus eine Zufrie­den­heit aus­lö­sen kann. Nicht immer, aber eben doch ab und zu.

Freude an der Arbeit

Die Freu­de an die­ser Arbeit ist dabei viel­schich­tig. Die gröss­te Befrie­di­gung ist ohne Zwei­fel, wenn eines der Pro­jek­te, die wir unter­stüt­zen, gut aus­geht. So wer­de ich den Augen­blick nicht ver­ges­sen, als ich die Mel­dung aus Din­kels­bühl las, dass man die Plä­ne für das unsäg­li­che „Roman­tic Out­let“ auf­ge­ge­ben hat­te. Immer­hin stan­den mil­lio­nen­schwe­re „Inves­to­ren“ und diver­se gross­kop­fer­te CSU­ler fel­sen­fest hin­ter dem Projekt.

Auch die Zei­tungs­mel­dung, dass der his­to­ri­sche Bahn­hof auf der ost­frie­si­schen Insel Juist nicht abge­ris­sen wer­den soll­te, gehört zu die­sen guten Momen­ten. Nun, wir alle wis­sen: Es gab und gibt auch andere.

Neben den inhalt­li­chen Din­gen unse­rer Arbeit kommt aber ein wei­te­rer Aspekt hin­zu: Ich tref­fe Men­schen, die sich eben­falls für den Erhalt his­to­ri­scher Bau­ten ein­set­zen. Ich habe tol­le Akti­vis­tIn­nen ken­nen­ge­lernt, Men­schen, mit denen das Gespräch und der Kon­takt auch über unser gemein­sa­mes The­ma hin­aus gegan­gen ist. Ich emp­fin­de das als berei­chernd für mein Leben.

Nicht alles wird gut

Auch hier gilt natür­lich: Das ist nicht immer so. Ich erspa­re Ihnen, lie­be Lese­rin­nen und Leser, die Details. Gene­rell sei aber ange­merkt, dass es immer wie­der Men­schen gibt, die unse­re Sache nach dem Mot­to vor­an­trei­ben: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

Damit muss ich klar kom­men — und das fällt mir nicht immer leicht. Es sind auch Kon­tak­te, die anfangs gut und herz­lich waren, abge­bro­chen, weil jemand mein­te, dass unser Ein­satz für ein gefähr­de­tes Bau­werk zu weit gin­ge. In der Regel wur­de in die­sen Fäl­len nicht ver­stan­den, dass wir mit einer net­ten Pres­se­mit­tei­lung und War­ten auf ein Wun­der nichts für ein gefähr­de­tes Bau­werk errei­chen kön­nen. Wir müs­sen viel­mehr dran blei­ben an unse­ren Fäl­len — und uns etwas trauen.

Verantwortung übernehmen!

Wich­tig ist es, dass wir begrei­fen: Wir haben es nicht nur mit des­in­ter­es­sier­ten Eigen­tü­me­rIn­nen, abge­dreh­ten Bür­ger­meis­tern, durch­sich­ti­gen Wirt­schafts­in­ter­es­sen oder gar kri­mi­nel­len Machen­schaf­ten zu tun. Nein, es sind nicht immer nur „die Ande­ren“, es ist auch häu­fig ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem, das direkt vor der eige­nen Haus­tür liegt. Der Fall des Bacha­ra­cher Gerb­hau­ses zeigt das gera­de deut­lich: Alle Ver­ant­wort­li­chen wei­sen die Ver­ant­wor­tung für den jäm­mer­li­chen Zustand die­ses Hau­ses weit von sich. Dabei mei­ne ich nicht die Eigen­tü­mer, die sich seit Jah­ren nicht küm­mern, nein, ich mei­ne unser gesell­schaft­li­ches Kor­rek­tiv, das sol­che Fäl­le ja eigent­lich im Sin­ne der betrof­fe­nen Gemein­schaft regeln soll.

Dazu gehö­ren auch die gewähl­ten Stadt­rä­tIn­nen in Bacha­rach, die ledig­lich auf die Ver­bands­ge­mein­de oder den Land­kreis ver­wei­sen. „Wir haben alles Mög­li­che getan“, so ist zu hören. Und das soll’s dann gewe­sen sein? Irgend­wann wird das Gerb­haus zusam­men­fal­len und das wird dann so akzep­tiert wer­den? Wir waren ja nicht ver­ant­wort­lich, so wird es dann heissen.

Bacharacher Gerbhaus: fehlendes Fallrohr und SchadenKon­kret bedeu­tet das im Fall des Bacha­ra­cher Gerb­hau­ses, dass nie­mand in Bacha­rach sich traut, in einen Bau­markt zu gehen, ein Stück Rohr für 6,59 Euro zu kau­fen und das im März 2018 auf die Stras­se gefal­le­ne Rohr zu erset­zen. „So etwas machen wir nicht!“, mein­te eine neu­lich Bacha­ra­che­rin mit engem Bezug zum Stadt­rat ener­gisch, ja fast ent­rüs­tet am Telefon.

Das ist nicht nur ein bedau­er­li­cher Man­gel an Zivil­cou­ra­ge, das ist auch kurz­sich­tig für die Zukunft der Stadt Bacharach!

Wenn sich denn doch jemand in Bacha­rach fin­den soll­te, der das Fall­rohr in Eigen­in­itia­ti­ve erset­zen möch­te: Wir von der IRHB wür­den das Rohr bezah­len. Denn irgend­wie „leben“ wir dann ja doch von unse­rer Arbeit als Akti­vis­tIn­nen. Wenn auch im über­tra­ge­nen Sin­ne: Für uns ist es eine wich­ti­ge Moti­va­ti­on, wenn sich Men­schen vor Ort für ihre his­to­ri­schen Bau­ten inter­es­sie­ren und einsetzen.

Wir kön­nen uns nicht vor­stel­len, dass es in Bacha­rach nur Men­schen gibt, die „so etwas nicht machen“. Also: Wo ist der nächs­te Bau­markt in der Nähe Bacharachs?