Transparenz — oder besser selber mauscheln?
Warum Transparenz bei der Rettung historischer Bauten wichtig ist
von Frank Jermann, 28. Mai 2021
von Frank Jermann, 28. Mai 2021
Transparenz — wir von der IRHB setzen uns mit diesem Punkt bereits lange auseinander, denn er betrifft unsere tägliche Arbeit. Manchmal erscheint es verlockend, Dinge „auf dem kleinen Dienstweg“ zu probieren. Anders ausgedrückt, könnten auch wir Schützer historischer Bauten versucht sein, irgendwelche inoffiziellen Absprachen zu treffen, um unsere Ziele zu erreichen. Ist das eine gute Idee — oder wäre es nicht vernünftiger, die Angelegenheit mit grösstmöglicher Öffentlichkeit zu behandeln?
Die konkrete Frage lautet also: Ist Transparenz wichtig bei der Rettung gefährdeter historischer Bauten? Unsere Position ist heute aber eindeutig: Transparenz hilft, Abrisse zu verhindern. Manchmal ist sie sogar das einzige Mittel, um überhaupt etwas zu bewirken. Wie wichtig das ist, wird manchmal sogar von unseren Verbündeten nicht erkannt.
Suchen wir zuerst einmal nach einer Definition des Begriffs. Wikipedia liefert eine gute Grundlage:
„Transparenz ist in der Politik und im politischen Diskurs eine Forderung bzw. ein für erstrebenswert gehaltener Zustand frei zugänglicher Informationen und stetiger Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse. Damit verbunden die Vorstellung einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems (bzw. von Verwaltung) und den Bürgern und einer vermehrten Partizipation. In eine ähnliche Richtung zielen die Begriffe Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip.“
Quelle: wikipedia.org
Wikipedia bietet auch eine Aufstellung, die das Für und Wider von Transparenz behandelt. In unserem Umfeld liegt das „Für“ auf der Hand, oder? Wäre es nicht klasse, die manchmal undurchsichtigen Entscheidungswege der Denkmalbehörden durchschauen zu können? Wäre es nicht hilfreich, vom Abrissantrag für ein Gebäude frühzeitig zu erfahren, weil die Behörde ihn veröffentlichen muss?
Die Argumente für ein „Wider“ erscheinen an den Haaren herbeigezogen — aber wir sollten sie wahrnehmen. So wird angeführt, dass
Diese Bedenken sind — kurz gesagt — Unsinn:
Die Möglichkeiten und Rechte der Zivilgesellschaft gegenüber der „Obrigkeit“ müssen gestärkt werden, wenn man die aktuellen Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe ernst nehmen will. Wenn dabei „liebgewonnene“ Vorgehensweisen — in der Regel also Hinterzimmerabsprachen — die nur wenigen Eingeweihten zur Verfügung stehen, auf der Strecke bleiben, dann ist das kein Verlust.
Muss man tatsächlich über diesen Punkt verhandeln? Was wir im Laufe unserer Zeit an undurchsichtigem Vorgehen, an offensichtlichen Einzelinteressen, an Gefälligkeiten, aber auch an vermeintlich gutgemeinten Stadt- oder Dorfentwicklungsideen erfahren haben, die zur Gefährdung von Ortsbildern oder gar zum Abriss historischer Bauten geführt haben, das lässt nur eine Forderung zu: mehr Transparenz! Wir dürfen es den Mauschlern nicht mehr durchgehen lassen, dass sie ihre Geschäfte im Hintergrund festzurren.
Als Beispiel sei der historische Juister Bahnhof genannt, dessen Abrissplan in Hinterzimmern ohne Öffentlichkeit im Jahr 2018 erdacht wurde und der erst durch Zufall — gegen den Willen der Beteiligten — an die Öffentlichkeit gelangte. In einer Kungelei aus Eigentümerin und Gemeinde sollte der Abriss einfach vollzogen werden. Auch heute wird man diesen Fall nicht detailliert aufklären können — denn in Niedersachsen gibt es kein Landestransparenzgesetz.
Städte und Gemeinden, die ein solches Vorgehen mittragen — meist zum wirtschaftlichen Vorteil weniger oder aus einem Gefälligkeitsdenken heraus — haben keine ernsthafte Legitimation mehr, sich um die Belange „der Gesellschaft“ zu kümmern, und sei es auch nur eine kleine Gemeinde mit wenigen EinwohnerInnen wie die Insel Juist.
Wenn Politik und Verwaltung die BürgerInnen lieber vor vollendete Tatsachen stellen, die in nicht-öffentlichen Runden ausgekungelt werden, anstatt sie offen und transparent über solche Vorgänge zu informieren, dann haben diese „Verantwortlichen“ den Lern- und Entwicklungsprozess in unserer Gesellschaft entweder verschlafen oder sie ignorieren ihn. Jede der beiden Möglichkeiten ist ein Armutszeugnis.
Diese wird in Deutschland — unter anderem — mittlerweile auf Bundesebene durch das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz gefördert. Auf Landesebene gibt es verschiedene Regelungen mit unterschiedelichen Bezeichnungen. Einige Bundesländer haben allerdings noch keine solche Regelung (siehe Kasten: Transparenzgesetze in den Ländern mit Links zum jeweiligen Stand).
Die Realität, auf die wir treffen, wird allerdings noch immer durch eine vermeintliche Obrigkeit geprägt, die in der Regel entscheidet, welche Informationen sie den Untertanen zugänglich macht — und vor allem welche nicht.
Auch hierzu wieder ein konkreter Fall: Das schwer gefährdete Gerbhaus in Bacharach, das einen einsturzgefährdeten Eindruck macht, wird nach Angaben von Städtevertretern und Denkmalschutz seit Jahren intensiv begleitet. Die Lieblingsfloskel lautet: „Es ist schwierig“.
Auf Fragen, was denn genau schwierig sei, kommen keine Antworten. Welche Massnahmen man vergenommen hat, um im Laufe der Jahre das Gebäude vor diesem heute jammervollen Zustand zu bewahren, darüber gibt es keine (freiwillige) Auskunft. Die Erklärung „man habe alles versucht“ dürfte einer Offenlegung im Sinne des rheinland-pfälzischen Landestransparenzgesetzes nicht entsprechen.
Wir wissen, dass Transparenz in vielen Lebenslagen ein nur schwierig zu verwirklichendes Ziel ist — nicht nur deshalb, weil dieses Thema ja tatsächlich in vielen Bereichen noch am Anfang steht. Die Bundesländer ohne Transparenzgesetz sind dafür ein Beleg.
Trotzdem muss Transparenz für uns der Massstab sein, wenn es um gefährdete historische Bauten geht. Um die heute eher schwach aufgestellte Bewegung zum Schutz gefährdeter Bauten in der Bundesrepublik zu stärken, sollten wir auf Transparenz bestehen: Nur so werden wir Mauschelein verhindern und eine Grundlage für offen verfügbare und nachvollziehbare Entscheidungen schaffen.
Wieder ein Beispiel: Die im Alleingang vom Grebenhainer Bürgermeister erwirkte denkmalrechtliche Abrissgenehmigung wäre in einem öffentlichen und transparenten Verfahren nie erteilt worden. Tatsächlich hatte der Bürgermeister gegenüber der Unteren Denkmalbehörde versichert, dass die betroffenen BürgerInnen und Bürger informiert seien und dem Abriss zustimmten. Diese Behauptung war frei erfunden: Im betroffenen Ortsteil wusste man nichts vom Alleingang des Bürgermeisters.
Dieser Fall ist ein Beispiel für eine Hinterzimmerpolitik, die in unserem Land jeden Tag stattfindet. Wäre die Untere Denkmalbehörde in Hessen zu einer Veröffentlichung von (gemeindlichen) Abrissanträgen verpflichtet (wie es ein Transparenzgesetz durchaus vorschreiben kann), dann hätte es sich der Bürgermeister sicher sehr gut überlegt, wissentlich falsche Angaben zu machen.
Denken wir noch ein Stück weiter: Transparenz wird helfen können, grössere Kompetenz zu schaffen. Zwar nicht ganz freiwillig und sicher auch mit etwas Murren auf der einen Seite — aber wer empfände es als Mangel, wenn PolitikerInnen und Behörden sich einfach besser informieren müssten?
Auch hierzu ein Beispiel: Wie kann es angehen, dass die Gemeinde Bacharach eine mögliche Enteignung des Gerbhauses mit dem Hinweis ablehnt, dass es nicht gut um ihre städtischen Finanzen gestellt sei? Diese Einschätzung, die nur durch Zufall in die Öffentlichkeit gedrungen ist, entbehrt einer Grundlage: Aus dem rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz ergibt sich aus § 31 Abs. 1, dass für die enteignete Partei „das Land einen angemessenen Ausgleich in Geld zu gewähren“ hat. Nicht die Stadt, sondern das Land …
In einem transparenten Verfahren wäre ein solcher angeblicher „Hinderungsgrund“ schnell von Interessierten entkräftet worden. So kommen solche „Scheinargumente“ eben nur zufällig ans Licht der Öffentlichkeit.
Ohne Transparenz, also ohne niedergeschriebene und öffentlich zugängliche Entscheidungen und Begründungen (und auch Planungen), könnte der dringende Verdacht entstehen, dass ein solcher, schnell hingeworfener „Grund“ wie: „Wir sind ja bekanntlich pleite!“ in der Bevölkerung als Rechtfertigung ausreicht — der tatsächliche Grund aber ein ganz anderer ist, jedoch nie öffentlich geäussert wird. Und so verlassen die wahren Gründe das Hinterzimmer nie …
Mangelnde Transparenz — anders formuliert: Gemauschel — ist nichts Neues in unserem Land. Wer alt genug ist und es nicht vergessen hat, denkt bei dem Begriff vielleicht an den Lockheed-Skandal aus den 1960er Jahren unter Strauss oder die Flick-Affäre in den Achtzigern. Die Liste ähnlicher Mauscheleien ist lang und zieht sich bis in die Gegenwart, wenn beispielsweise Lobbyisten Gesetzestexte schreiben. Mehr Transparenz wäre eine Chance gewesen, diese Hinterzimmer-Deals zu verhindern.
Nun gibt es mittlerweile ja aber Gesetze für mehr Transparenz, die zumindest teilweise helfen. Nutzen wir sie — und noch wichtiger: Tragen wir das Bewusstsein dieser möglichen Transparenz selbstbewusst in unsere Rettungsaktionen für gefährdete Bauten hinein! Lassen wir die Blockierer, die Mauschler und die Bewahrer ihres Einflusses nicht davonkommen mit ihren Methoden.
Aber da ist doch immer noch dieser kleine Zweifel: Wäre es nicht manchmal doch reizvoll, an „deren“ Machenschaften teilzunehmen, wenn wir einen Zugang zu den Hinterzimmern bekämen? Nein, auf keinen Fall! Es gibt mehrere Gründe dagegen:
Leben wir Transparenz und Öffentlichkeit in unseren Projekten!
Unsere Gesellschaft ist auf dem Weg, mit Instrumenten wie dem Informationsfreiheitsgesetz auf Bundes- und den bestehenden Transparenzgesetzen auf Landesebene etwas Grundsätzliches zu verbessern. Machen wir nicht den Fehler, als Schützer gefährdeter Bauten selbst intransparent zu werden.
Nutzen wir statt dessen die Begriffe Transparenz und Offenheit nicht nur als Schlagworte, sondern füllen sie mit Inhalt und — ganz wichtig — setzen sie selbst um! Wir müssen dieses Massstäbe gegen uns selbst gelten lassen — auch wenn es manchen reizvoll erscheinen mag, unter dem Schirm zu handeln, um ein Bauwerk zu retten.
Das bedeutet in der Praxis, dass beispielsweise
Der klare Vorteil eines eigenen transparenten Handelns ist es, dass wir anderen Menschen in unserem Umfeld mit einer offenen Vorgehensweise nicht nur ein gutes Beispiel sind, sondern auch Mut machen können: Zeigen wir, dass es besser geht! Zeigen wir, dass die Zeit der Vorherrschaft von Gemauschel und Willkür abläuft.
Wenn wir es also besser machen wollen, wenn wir unserer Sache helfen wollen, dann müssen wir uns selbst so verhalten, wie wir es von den Entscheidern in Politik und Verwaltung zu Recht verlangen: transparent und offen.
Ansonsten werden wir im Wettbewerb mit den Mauschlern verlieren.
Bundesland | in Kraft seit |
– Baden-Württemberg | 2016 |
– Bayern | — |
– Berlin | 1998 |
– Brandenburg | 1998 |
– Bremen | 2006 |
– Hamburg | 2012 |
– Hessen | 2018 |
– Mecklenburg-Vorpommern | 2006 |
– Niedersachsen | — |
– Nordrhein-Westfalen | 2001 |
– Rheinland-Pfalz | 2016 |
– Saarland | 2006 |
– Sachsen | — |
– Sachsen-Anhalt | 2008 |
– Schleswig-Holstein | 2012 |
– Thüringen | 2012 |