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Hartmannshainer Brücke — gerettet!

Das Bauwerk

Die Brü­cke ist ein Kul­tur­denk­mal mit täg­li­chem Nut­zen für Ein­hei­mi­sche und Touristen.

Die Hart­manns­hai­ner Brü­cke ist eine his­to­ri­sche Eisen­bahn­brü­cke und ein Ein­zel­denk­mal (sie­he Kas­ten: Bogen­brü­cke). Sie wird seit eini­gen Jah­ren nur noch von Rad­fah­rern und Fuss­gän­gern genutzt.

Die Gefährdung (2016)

Ein Plan — aber wel­che Moti­va­ti­on?
Offen­bar woll­te der Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Gre­ben­hain die­ses Denk­mal abreis­sen. War­um der Plan für die­ses Vor­ha­ben über sehr lan­ge Zeit weder den poli­ti­schen Gre­mi­en (Hart­manns­hai­ner Orts­bei­rat, Gre­ben­hai­ner Gemein­de­ver­tre­tung) noch der Bevöl­ke­rung bekannt war, ist eine der gros­sen Unge­reimt­hei­ten die­ses Falls. Soviel kann man gesi­chert fest­hal­ten: Der Bür­ger­meis­ter trieb den geplan­ten Abriss im Allein­gang voran.

Über sei­ne Grün­de wur­de viel spe­ku­liert: Man­che führ­ten als Grund das schwa­che Wahl­er­geb­nis im Orts­teil Hart­mann­hain an. Es gab angeb­lich Äus­se­run­gen des Gemein­de­chefs gegen­über ihm unlieb­sa­men Gemein­de­be­woh­ne­rIn­nen nach dem Mot­to: „Die Brü­cke reis­se ich euch auch noch weg“. Dazu muss man wis­sen, dass die Brü­cke den Hart­manns­hai­nern als Über­weg dient und täg­lich benutzt wird.

Das klingt nach Rache­ge­lüs­ten, nach nie­de­ren Beweg­grün­den. Ob es sich aber tat­säch­lich so zuge­tra­gen hat, ist bis heu­te nicht „offi­zi­ell“ zu klä­ren. Es gab Zeu­gen,  für — soll­te es sich tat­säch­lich so zuge­tra­gen haben — die­se Unge­heu­er­lich­keit. Auf Nach­fra­ge woll­te sich jedoch nie­mand öffent­lich aus dem Fens­ter leh­nen. Als Grund wur­de ange­ge­ben: In so einer klei­nen Gemein­de sei­en die Nach­tei­le schnell zu spü­ren, wenn man gegen den Strom schwim­me. Vom Schnei­den durch Nach­barn bis hin zum Ent­zug von öffent­li­chen und pri­va­ten Auf­trä­gen reich­ten die Bedenken.

So muss man Zwei­fel haben hin­sicht­lich der Gerüch­te. Und trotz­dem belibt die Fra­ge: War­um trieb der Bür­ger­meis­ter die Abriss­pla­nun­gen im Allein­gang und ohne Betei­li­gung der poli­ti­schen Gre­mi­en an? Im Bür­ger­meis­ter­wahl­kampf 2013 hör­te sich das noch ganz anders an: Gemein­sam mit allen Gre­ben­hai­ne­rIn­nen woll­te der zukünf­ti­ge Bür­ger­meis­ter die Zukunft der Gemein­de zu gestal­ten (sie­he Kas­ten: Wahl­ver­spre­chun­gen): Die Infor­ma­ti­on an Gre­mi­en und Bevöl­ke­rung erfolg­te erst, nach­dem die Abriss­ge­neh­mi­gung für die his­to­ri­sche Brü­cke bereits erteilt war.

Von „gemein­sam“ war hier also nichts zu sehen. Viel­mehr han­del­te es sich um einen Allein­gang des Bür­ger­meis­ters, der letzt­lich zur Ertei­lung der denk­mals­recht­li­chen Abriss­ge­neh­mi­gung führte.

Eine Geneh­mi­gung mit eini­gen Unge­reimt­hei­ten
Wie konn­te es aber über­haupt zur Ertei­lung der Abriss­ge­neh­mi­gung kom­men? Erteilt eine Denk­mal­be­hör­de die Geneh­mi­gung zum Abriss eines Kul­tur­denk­mals, wenn ledig­lich der Chef einer Gemein­de die­sen Abriss wünscht? Die Aus­sa­gen aus der Behör­de dazu waren ein­deu­tig: Man wür­de eine sol­che Gen­he­mi­gung nicht ertei­len. Ganz im Gegen­teil: Man prü­fe jeden Ein­zel­fall, so die Denk­mal­be­hör­de — und unter ande­rem auch, ob ein sol­cher Abriss in der betrof­fe­nen Gemein­de auf eine mehr­heit­li­che Zustim­mung stosse.

Man­gels Wis­sen konn­ten die betrof­fe­nen Bür­ger­In­nen des Orts­teils Hart­manns­hain dem Abriss­plan des Bür­ger­meis­ters aber gar nicht posi­tiv gegen­über gestan­den haben. Geht man davon aus, dass die Denk­mal­be­hör­de nicht gegen ihre eige­nen Richt­li­ni­en ver­stiess, dann bleibt nur eine zwin­gen­de Schluss­fol­ge­rung: Der Bür­ger­meis­ter der Gemein­de Gre­ben­hain muss Anga­ben gemacht haben, die nicht der Wahr­heit entsprachen.

Eben­so prüft die Denk­mal­be­hör­de laut eige­nen Anga­ben auch in gewis­sem Rah­men die Finan­zier­bar­keit eines Abris­ses. Dazu klärt man, ob die Kos­ten des Abris­ses bereits im Haus­halt auf­ge­führt sind oder ein dies­be­züg­li­cher Beschluss der Gemein­de­ver­tre­tung vor­liegt. Da es auch hier­zu nichts in der Gemein­de Gre­ben­hain gab, kommt der Ver­dacht auf, der sich mit dem Begriff „Vor­spie­ge­lung fal­scher Tat­sa­chen“ wohl nicht ganz falsch beschrei­ben lässt — soll­te die Denk­mal­be­hör­de die Finan­zier­bar­keit eines Abris­ses geprüft haben. Und man habe dies geprüft, so wur­de uns bestätigt.

Das Gut­ach­ten
Die Abriss­plä­ne des Bür­ger­meis­ters basier­ten auf einem Gut­ach­ten aus dem Febru­ar 2016. Es wur­de durch den Gemein­de­vor­stand beauf­tragt, wobei davon aus­zu­ge­hen ist, dass die trei­ben­de Kraft der Bür­ger­meis­ter war, da es offen­bar ansons­ten kei­ne Kennt­nis über die­sen Auf­trag gab. Bei vie­len Inter­es­sier­ten stand das Gut­ach­ten des­halb im Ver­dacht, eine Gefäl­lig­keits­ar­beit darzustellen.

Hartmannshainer Brücke: ein massives Bauwerk aus regionalem Material

Die mas­si­ve Kon­struk­ti­on aus regio­na­lem Basalt und Sand­stein ist über 100 Jah­re alt.

In dem Gut­ach­ten wur­de der Anschein erweckt, dass sich die Brü­cke in einem äus­serst schlech­ten Zustand befän­de. Die­se Ein­schät­zung gip­felt in der Aus­sa­ge, dass „die Stand­si­cher­heit nicht mehr in vol­lem Umfang gege­ben“ sei. Die Zustands­no­te aus der Bau­werks­prü­fung wur­de durch den Gut­ach­ter mit 3,8 bestimmt — auf einer Ska­la, die von 1,0 bis 4,0 reicht. Spä­te­re Aus­sa­gen von fach­lich kom­pe­ten­ter Sei­te stell­ten die Aus­sa­ge des Gut­ach­ters in dei­sem Punkt als zwei­fel­haft dar: Die Brü­cke habe selbst­ver­ständ­lich Schä­den, die­se dür­fe man aber nicht dramatisieren.

Im vom Bür­ger­meis­ter beauf­trag­ten Gut­ach­ten wird der Denk­mal­sta­tus nicht ein­mal ansatz­wei­se in aus­rei­chen­dem Mas­se berück­sich­tigt: So soll­te bei­spiels­wei­se das bau­zeit­li­che, in gutem Zustand befind­li­che Gelän­der „demon­tiert und ent­sorgt“ wer­den. Ein Hin­weis auf denk­mal­schutz­recht­li­che Belan­ge bei einem so gut erhal­te­nen, über 100 Jah­re alten Gelän­der ist ledig­lich nach­ran­gig und abge­schwächt vor­han­den. Ein Fahr­bahn­be­lag aus Beton dürf­te eben­falls nicht einer Instand­set­zung im Sin­ne eines Denk­mals entsprechen.

Milchmädchenrechnungen

Hartmannshainer Brücke: Dort unten verlief die ehemalige Bahnlinie.

Unter der Brü­cke fuhr frü­her die Bahn. Schon der Abbau die­ser Ver­kehrs­in­fra­struk­tur wird heu­te von vie­len als Feh­ler angesehen.

Im Ergeb­nis wur­den im Gut­ach­ten die Kos­ten einer Instand­set­zung denen eines Rück­baus gegen­über­ge­stellt. Offen­bar soll­te eine rein finan­zi­ell begrün­de­te Ent­schei­dung for­ciert wer­den: Woll­ten die Gemein­de­ver­tre­te­rIn­nen zir­ka 200.000 Euro für den Erhalt der Brü­cke aus­ge­ben oder ledig­lich zir­ka 65.000 Euro für den Abriss bewil­li­gen. Lan­ge Zeit war das dann tat­säch­lich die Dis­kus­si­ons­grund­la­ge: Man stell­te die Kos­ten der Instand­hal­tung denen des Abris­ses gegen­über. Für eine Kom­mu­ne wie Gre­ben­hain war die Aus­sicht sicher ver­lo­ckend, sich der Brü­cke durch eine „Ein­mal­zah­lung“ für den Abriss zu entledigen.

Dabei wur­de schnell klar, dass die Kos­ten­auf­stel­lun­gen des Gut­ach­tens ten­den­zi­ös waren und auf ein erwünsch­tes Ergeb­nis hinarbeiteten:

  • Die Instand­set­zungs­kos­ten von 200.000 Euro bezo­gen sich auf eine Ertüch­ti­gung der Brü­cke für den Schwer­last­ver­kehr. Die Brü­cke war aller­dings bereits seit Jah­ren für jeg­li­chen moto­ri­sier­ten Ver­kehr gesperrt. Eine ein­fa­che­re Vari­an­te der Instand­set­zung — im Rah­men der seit Jah­ren prak­ti­zier­ten Nut­zung — ent­hielt das Gut­ach­ten nicht.
  • Es fehl­te in den Kos­ten­be­re­chun­gen für den Abriss die Kos­ten für die Anle­gung neu­er Wege nach einem Abriss: Natür­lich hät­te es eine Alter­na­ti­ve zur Brü­cke geben müs­sen, denn die Men­schen hät­ten ohne die Brü­cke ja irgend­wie den Hang hin­un­ter und wie­der hin­auf kom­men müs­sen — und das bar­rie­re­frei bei jedem Wetter.

Eben­so blieb in der Dis­kus­si­on weit­ge­hend unbe­rück­sich­tigt, dass die Gemein­de Gre­ben­hain die Brü­cke jah­re­lang nicht gepflegt hat­te. Dass das dadurch „gespar­te“ Geld irgend­wann in Form einer grös­se­ren Instand­set­zungs­mass­nah­me wie­der auf­tau­chen wür­de, hät­te erwar­tet wer­den müssen.

Letzt­lich trug der Bür­ger­meis­ter selbst mit einer wei­te­ren „Berech­nung“ zur Ver­schleie­rung der wah­ren Pro­ble­ma­tik bei: Man habe 70 Brü­cken in der Gemein­de und kön­ne sich sol­che Instand­set­zungs­mass­nah­men des­halb nicht leis­ten, so sei­ne Aus­sa­ge. Dabei stuf­te der Bür­ger­meis­ter offen­bar jedes Rohr, das unter einem Feld­weg ver­legt ist, als Brü­cke ein. Etwas Ver­gleich­ba­res wie die his­to­ri­sche Eisen­bahn­brü­cke in Hart­manns­hain gibt es jedoch nicht in Grebenhain.

Was war der Auslöser der Rettung?

Website: hartmannshainer-bruecke.de

Ein gutes Mit­tel zur Öffent­lich­keits­ar­beit: die Web­site des Ver­eins zum Erhalt der Brücke.

Eine empör­te und star­ke Bür­ger­initia­ti­ve for­mier­te sich recht schnell in Hart­manns­hain. Man bat uns, die IRHB, um Hil­fe bei der Öffent­lich­keits­ar­beit. Da wir bereits Erfah­rung mit Peti­tio­nen hat­ten, konn­ten wir gemein­sam mit der Bür­ger­initia­ti­ve einen Peti­ti­ons­text erar­bei­ten und die pas­sen­de Platt­form für die­se Peti­ti­on fin­den. Zudem ermög­lich­te die IRHB den Auf­bau einer Web­sei­te für die Bürgerinitiative.

Öffent­lich­keits­ar­beit und Kom­mu­ni­ka­ti­on wur­den von der Bür­ger­initia­ti­ve in den Mit­tel­punkt gestellt, es fan­den aber auch ers­te Arbeits­ein­sät­ze an der Brü­cke statt, die der Bür­ger­meis­ter ver­geb­lich zu ver­hin­dern suchte.

Wie es sich entwickelte (2017)

Die Reso­nanz in der Bevöl­ke­rung war gross. Man ent­deck­te in Hart­manns­hain sein Herz für die­ses his­to­ri­sche Bau­werk. Aus der Bür­ger­initia­ti­ve wur­de bald ein ein­ge­tra­ge­ner und gemein­nüt­zi­ger Verein.

Die Peti­ti­on konn­te online und auf Papier unter­zeich­net werden.

Die Peti­ti­on ent­wi­ckel­te sich der­weil gut. Unter­schrif­ten wur­den in vie­len loka­len Geschäf­ten gesam­melt, aber auch Men­schen, die „nur“ durch die Gegend reis­ten, unter­stütz­ten die Akti­on. So kam es zu Unter­schrif­ten, die weit über die Regi­on hin­aus gingen.

Nach­dem diver­se Orga­ni­sa­tio­nen invol­viert wur­den, es vie­le Gesprä­che und meh­re­re Orts­ter­mi­ne gab, stieg die Zuver­sicht. Es gelang uns, den nicht in aus­rei­chen­dem Mass invol­vier­ten Denk­mal­bei­rat des Vogels­berg­krei­ses zu invol­vie­ren. So kam es im März 2017 erst­mals (!) zu einer Besich­ti­gung der Brü­cke durch ihn. Der Ein­druck des Denk­mal­bei­rats war: Die Brü­cke ist nicht gefähr­det und soll­te erhal­ten wer­den. Das tat gut.

So konn­te bald die Wirk­sam­keit des Netz­wer­kens fest­ge­stellt wer­den: Es wur­de von ver­schie­de­nen Sei­ten finan­zi­el­le Unter­stüt­zung für die Instand­set­zung der Brü­cke ver­spro­chen. Die Ret­tung war einen ent­schei­den­den Schritt vorangekommen.

Der Bür­ger­meis­ter pass­te der­weil sei­ne Posi­ti­on an. War es ehe­mals sein erklär­tes Ziel, die Brü­cke abzu­reis­sen, so erkann­te er nun die deut­li­che Ten­denz, dass er mit sei­ner Posi­ti­on immer mehr ins Abseits geriet. Der öffent­li­che Pro­test zeig­te Wir­kung: Schliess­lich stan­den 2019 Neu­wah­len an.

Wer die Geschich­te nicht kann­te, konn­te mitt­ler­wei­le den Ein­druck gewin­nen, dass der Bür­ger­meis­ter stets ein eif­ri­ger Ver­fech­ter des Erhalts der Brü­cke war.

Die Rettung (2018)

Hartmannshainer Brücke: mehrere Begehungen fanden statt.

Es konn­ten meh­re­re Bege­hun­gen mit rela­van­ten Behör­den und Orga­ni­sa­tio­nen durch­ge­führt werden.

Im Novem­ber 2018 war es dann soweit: Die Gemein­de­ver­tre­tung ent­schied, die Hart­manns­hai­ner Brü­cke nicht abzu­rei­ßen. Es war ein lan­ger Weg bis dort­hin. Dass er letzt­lich erfolg­reich war, lag wesent­lich an der öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit, die geschaf­fen wer­den konn­te — und den dar­auf­hin erteil­ten Zusa­gen finan­zi­el­ler Unterstützung.

Unterstützende Organisationen

Ins­ge­samt wur­den 365.000 Euro für die Instand­set­zung von die­sen Orga­ni­sa­tio­nen in Aus­sicht gestellt:

  • Deut­sche Stif­tung Denkmalschutz
  • Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge Hessen
  • Land­kreis Vogelsberg
  • His­to­ri­sche Brü­cke Hart­manns­hain e. V.
  • OVAG (regio­na­ler Energieversorger)

aus der Denkmaltopographie

Bogenbrücke

Unmit­tel­bar öst­lich des Dorfs führt eine ele­gan­te Bogen­brü­cke über die in einer künst­li­chen Schlucht geführ­te ehe­ma­li­ge Bahn­stre­cke, die jetzt als tou­ris­ti­scher Rad­weg genutzt wird. Sicht­ba­re Bau­ma­te­ria­li­en sind Basalt­hau­stein und bos­sier­te Sand­stein­qua­der, das eiser­ne Brü­cken­ge­län­der aus der Bau­zeit (1906) blieb erhal­ten. Die Brü­cke ist Kul­tur­denk­mal aus bau- und ver­kehrs­ge­schicht­li­chen Gründen. 

aus dem Wahl­pro­gramm des Gre­ben­hai­ner Bürgermeisters

Wahlversprechungen

„Ich bewer­be mich um die­ses ver­ant­wor­tungs­vol­le und viel­sei­ti­ge Amt, um gemein­sam mit Ihnen, lie­be Bür­ger­in­nen und Bür­ger, den Gemein­de­ver­tre­tern, dem Gemein­de­vor­stand, den Orts­bei­rä­ten, allen ehren­amt­lich Täti­gen in den Ver­ei­nen und Insti­tu­tio­nen und den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern der Gemein­de die Zukunft unse­rer Gemein­de wei­ter­hin erfolg­reich zu gestalten.“

Sebas­ti­an Stang, 2013

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