header-image

Crainfeld, Im Haigen 1 — abgerissen

Arti­kel vom 7. März 2020

Viel wis­sen wir nicht über die­ses Gebäu­de. Es war dann irgend­wann ein­fach weg — der Eigen­tü­mer woll­te es so, die Abriss­ge­neh­mi­gung wur­de erteilt. So gela­ger­te Fäl­le gibt es sicher häu­fig — sie stel­len ver­mut­lich einen bedeu­ten­den Teil des Ver­schwin­dens alter Bau­kul­tur in unse­rem Land dar. Ich hat­te von dem gefähr­de­ten Bau auch nur durch Zufall erfah­ren, beim Metz­ger gegenüber.

Als ich die­se Zei­len schrieb, war das Wohn­haus bereits sie­ben Jah­re ver­schwun­den. Das ist ein Zeit­raum, in dem man viel ver­ges­sen kann. Ein Grund mehr, die­sen Fall in die IRHB-Lis­te auf­zu­neh­men und die Erin­ne­rung somit wach zu halten.

Die Erin­ne­rung wird trotz­dem weni­ger wer­den, auch in Crain­feld sel­ber. Das Gebäu­de ist eben ein­fach weg. War’s schön? Ja, viel­leicht, so wer­den man­che heu­te oder in 25 Jah­ren sagen — aber was kann man da machen?

Ja, was kann man machen? Man kann sol­che Fäl­le als Mahn­ma­le betrach­ten und etwas gegen das Ver­ges­sen tun. Die­se Initia­ti­ve, die IRHB, sie ver­sucht das.

Als ich den Ein­trag in die IRHB-Lis­te vor­nahm, ver­such­te ich, mei­ne Emo­tio­nen, also mei­ne Empö­rung über die­sen Abriss, weit­ge­hend zu unter­drü­cken. Ich formulierte:

„Die­ses his­to­ri­sche Wohn­haus wur­de 2013 abgerissen.“

Mir fiel die­se schlich­te Dar­stel­lung des Fakts schwer. Denn es steckt natür­lich viel mehr dahin­ter, wenn sol­che Bau­ten abge­ris­sen wer­den. Hier wur­de Platz geschaf­fen für — Garagen!

Nur historisch?

Ich erin­ne­re mich an die klei­nen, regio­nal­ty­pi­schen Runds­chin­deln die­ses Hau­ses. Nein, das Gebäu­de war nicht nur ein his­to­ri­sches, son­dern es war auch orts­ty­pisch und wunderschön.

Ich sehe sie vor mir, die „Fort­schritt­li­chen“, die das Fest­hal­ten an Alt­her­ge­brach­tem grund­sätz­lich als Still­stand, ja Rück­schritt bewer­ten. Wun­der­schön — ha! — über Geschmack lässt sich doch strei­ten! Das zählt nicht! Und was spricht denn, bit­te­schön, dage­gen, ein altes, mitt­ler­wei­le bau­fäl­li­ges Haus abzu­reis­sen? Weg damit! Haben nicht die neu­en Gara­gen ihre Berech­ti­gung? Die sehen doch auch gut aus, pas­sen viel bes­ser in unse­re Zeit! Und stel­len sie nicht einen viel grös­se­ren Wert für den Eigen­tü­mer dar?

Dar­über lies­se sich dis­ku­tie­ren. Ich will das aber an die­ser Stel­le ver­mei­den, denn die­se Dis­kus­si­on wur­de und wird im Rah­men der IRHB an genü­gend Stel­len geführt. Ich möch­te viel­mehr — ganz kon­kret für die­ses his­to­ri­sche Gebäu­de — auf etwas hin­wei­sen, das wich­tig ist.

Es war ein Schatz

Das ver­schwun­de­ne Haus auf dem Grund­stück Im Hai­gen 1 wur­de ver­gli­chen mit einem der bedeu­tends­ten Fach­werk­bau­ten im sel­ben Dorf, also in Crain­feld: dem Edel­hof. Nie­mand käme auf die Idee, den Edel­hof abzu­reis­sen. Er hat sogar einen eige­nen, umfang­rei­chen Ein­trag bei Wiki­pe­dia, ist eine tou­ris­ti­sche Sehenswürdigkeit.

Ja, ist denn das nicht über­trie­ben? Wer sagt denn, dass das abge­ris­se­ne Haus mit dem Edel­hof ver­gleich­bar gewe­sen wäre? Nun, es gibt eine Crain­fel­der Chro­nik, die man online errei­chen kann. Ein loka­ler Akti­vist, der sich in vie­ler­lei Hin­sicht um die his­to­ri­schen Belan­ge sei­ner Gemein­de küm­mert, zeich­net für die­se Chro­nik ver­ant­wort­lich. Er schreibt:

[Das Gebäu­de] war […] einer der bedeu­tends­ten Fach­werk­bau­ten in Crain­feld überhaupt.

Im Kas­ten fin­den Sie das gan­ze Zitat.

Eines der bedeu­tends­ten Gebäu­de in Crain­feld musst also ein paar Gara­gen wei­chen. Gara­gen statt wert­vol­ler his­to­ri­scher Bau­ten! Im Jahr 2013 — nicht 1970, als man his­to­ri­sche Bau­ten rei­hen­wei­se abräum­te! Wie konn­te es dazu kom­men? Es war purer Zufall, dass ich eini­ge Zeit vor dem Abriss mit dem Eigen­tü­mer reden konnte:

Die Gesprächsnotiz

Das waren die Punk­te in dem Gespräch, an das ich mich recht gut erinnere:

  1. Das Wohn­haus wur­de frü­her ver­mie­tet, es gab aber irgend­wel­chen Ärger mit den Mietern.
  2. Der Eigen­tü­mer hat­te kei­ne Lust mehr, sich mit einer sol­chen Situa­ti­on aus­ein­an­der­zu­set­zen — und ver­mie­te­te nicht mehr.
  3. Das Gebäu­de stand län­ger leer und sein Zustand ver­schlech­ter­te sich.
  4. Der Wunsch nach Park­raum auf dem eige­nen Grund­stück und das immer hin­fäl­li­ge­re Wohn­haus ergänz­ten sich.
  5. Es erfolg­te der Abriss.

Fotos habe ich damals, es war wohl 2012, nicht gemacht — IRHB war da noch kein The­ma. Alles, was für uns heu­te als ein Erin­ne­rungs­bild bleibt, ist eine Kopie aus einer Satel­li­ten­auf­nah­me von Goog­le Maps.  Und auch die wird bald ver­schwin­den, wenn es neue Auf­nah­men gibt.¹

Viel­leicht bekom­men wir ja noch ein paar Fotos zuge­schickt, um nicht nur das Andenken an das schö­ne Haus auf­recht zu erhal­ten, son­dern auch um einen Denk­an­stoss für Eigen­tü­mer ähn­li­cher Gebäu­de zu geben?

-Frank Jer­mann


¹ Nach­trag vom 16. April 2021: Mitt­ler­wei­le ist es soweit. Goog­le Maps hat neue Satel­li­ten­auf­nah­men ein­ge­stellt. Hier­auf kann man den Unter­schied ganz gut erkennen.

Crainfeld, Im Haigen 1: vorher - nachher

links: vor dem Abriss; rechts: danach

Aus­zug aus der „Chro­nik Crainfeld“

Im Haigen 1 — Hausname Moadjes

Inter­es­san­tes: Das Haus wur­de wur­de dem Stil nach im frü­hen 18. Jahr­hun­dert erbaut und war nach dem Edel­hof einer der bedeu­tends­ten Fach­werk­bau­ten in Crain­feld über­haupt. 2013 wur­de es abge­ris­sen. Der jüdi­sche Haus­be­sit­zer Albert Strauß ver­ließ mit sei­ner Fami­lie bereits im Früh­jahr 1933 Crain­feld, wur­de jedoch spä­ter bei Minsk ermordet.

Quel­le: chro​nik​-crain​feld​.de