Das Neueste zuerst: Niederrad
Der Abriss ist erfolgt
8. Oktober 2020 // Das sind schlechte Nachrichten: Das historische Haus in Frankfurt-Niederrad wurde mittlerweile abgerissen. Auf der Petitionsseite ist dazu zu lesen:
Das Bauamt hat den sofortigen Vollzug des Abrisses angeordnet, unabhängig von der ausstehenden Anhörung, und zusätzlich den Neubau genehmigt, ohne auf das Einspruchsrecht des Nachbarn einzugehen.
Wir werden uns mit diesem Fall weiterhin beschäftigen, denn er erscheint als ein gutes Beispiel, wie schlecht es laufen kann. Vielleicht wird der Verlust dieses Gebäudes wenigstens dazu führen, dass wir zukünftig mehr Erfolg bei der Rettung historischer Bauten haben werden.
Historisches Gebäude in Gefahr
9. Juli 2020 // Eines der ältesten Häuser im Frankfurter Stadtteil Niederrad soll abgerissen werden. Es soll einem Neubau weichen. Eine Gruppe von BürgerInnen — unter ihnen der Vorsitzende des Bezirksvereins Niederrad und die Pfarrerin der Paul-Gerhard-Gemeinde — setzt sich für den Erhalt dieses historischen Gebäudes ein. Eine Petition wurde erstellt und kann online unterzeichnet werden.
Dem Petitionstext kann entnommen werden, dass die städtische Bauaufsicht Mitte April eine Abrissgenehmigung erteilt hat. Laut Bauaufsicht hätte das Haus eine sehr schlechte Bausubstanz, dies hätte ein von der Eigentümerin in Auftrag gegebenes Gutachten festgestellt. Laut Aussage der Bauaufsicht würde „eine Sanierung sich nicht lohnen, denn sie wäre so teuer wie Abriss und Neubau“.
Schlechte Bausubstanz
Wir kennen das: „Schlechte Bausubstanz“ ist eine gerne benutzte Behauptung, um einen Abriss zu rechtfertigen. Lieber noch wird der Begriff „marode“ benutzt, um das Bild eines völlig verrotteten Gebäudes hervorzurufen.
Es gibt genügend Beispiele, die zeigen, wie wenig Wahrheit hinter einer solchen Behauptung stecken kann. Der Hartmannshainer Brücke wurde gutachtlich ein äusserst schlechter Zustand attestiert („Standsicherheit nicht mehr in vollem Umfang gegeben“) — eine Sperrung fand allerdings nie statt. Nach erfolgreichen Protesten wurde die Brücke erhalten. Der Juister Bahnhof wurde als „dermassen marode, dass nur ein Neubau Sinn macht“ bezeichnet. Heute wird das Gebäude instandgesetzt.
Ohne konkrete Belege — die vermutlich nur selten vorliegen — ist eine Aussage wie „schlechte Bausubstanz“ wertlos. Und selbst wenn die Bausubstanz zu wünschen übrig lässt: Rechtfertigt das einen Abriss?
Petition bei openPetition
Die Eigentümerin
Laut Petition ist die Eigentümerin die Mamax GmbH. Bei North Data, einem Wirtschaftsinformationsdienst, wird das Geschäftsfeld des Unternehmens unter anderem beschrieben als „Sanierung und Erhaltung von Altbaubeständen sowie denkmalgeschützten Immobilien“.
Zu Recht bemängelt die Petition, dass das Unternehmen sich einerseits Altbau- und Denkmalsanierung in ihr Portfolio schreibt, andererseits aber den Abriss dieses historisch wertvollen Gebäudes vorantreibt. Ist die sympathische Formulierung des Unternehmens lediglich ein Vorwand, um geschäftliche Interessen zu verfolgen?
Denkmalschutz
Der Petent beklagt, dass die Denkmalbehörde „trotz schriftlicher Anfrage keine Antwort gegeben [habe] auf die Frage, warum die Kelsterbacher Str. 28 aus dem Denkmalschutz genommen wurde und abgerissen werden darf. Es fehlt eine öffentliche, ausführliche, belastbare Begründung.“ Öffentlichkeit und Transparenz sehen tatsächlich anders aus. Im Jahr 2020 sollte eine Behörde so nicht mehr arbeiten.
Festzuhalten ist: Hinsichtlich des betroffenen Gebäudes ist der Eintrag im Denkmalnetz des Landesamts für Denkmalpflege Hessen heute, am 10. Juli 2020 immer noch vorhanden. Dort wird das Kulturdenkmal als „Teil einer Gesamtanlage“ ausgewiesen. Dieses bedeutet sogenannten „Ensembleschutz“ (mehr dazu auf Wikipedia), was einen denkmalrechtlichen Schutz der äusseren Erscheinung beinhaltet.
Der Online-Eintrag ist natürlich nicht relevant für die aktuelle Denkmaleigenschaft eines Bauwerks. Hier belegt er lediglich, dass das Gebäude in der Kelsterbacher Strasse 28 einmal als Denkmal gelistet war. Da ja aber offensichtlich eine Abrissgenehmigung vorliegt, steht fest, dass der Denkmalschutz mittlerweile aufgehoben worden sein muss.
Schaut man sich den Eintrag im Online-Verzeichnis an, so findet man auch die kurze Beschreibung des Denkmals. Liest man sie, dann wird es völlig unverständlich, wieso hierfür eine Abrissgenehmigung erteilt werden konnte. Zitat von der Website des Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Stand: 10. Juli 2020):
„Barockes Fachwerkhaus des 17. Jh. mit Nebengebäuden des 19. und 20. Jh.“
In einer Stadt, in der mit grossem öffentlichen, ja, internationalem Getöse historische Bauten nachgebildet werden, genehmigt eine Behörde den Abriss eines Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert ganz im Stillen — ohne die Betroffenen Bürgerinnen und Bürger auch nur notdürftigst zu informieren?
Gestöbert
Manchmal ist es ja hilfreich für das Verständnis eines historischen Bauwerks, wenn man ein wenig gräbt. Das kann mit einem Spaten im Keller sein, heute kann man aber auch digitial graben. Wir haben Letzteres getan.
Die Stadt Frankfurt
In der Stadt Frankfurt stehen zirka 400.000 Gebäude. Die Stadt führt das hier betroffene Haus auf ihrer Website auf. Vielen Gebäuden wird diese Ehre nicht zuteil. Was ist also besonders an der Kelsterbacher Strasse 28? Mehr als nur das Haus, wie man nachlesen kann:
Die Stadt Frankfurt widmet der ehemaligen Bewohnerin Helena Pivovarczik, einer russischen Zwangsarbeiterin, einen Eintrag auf den Seiten der Stadt. Ein „Stolperstein“ wurde 2013 verlegt. Ohne Zweifel ist dieser Ort, ist dieses Haus ein geschichtlich wichtiger in der Stadt.
Nun reicht offenbar das Gewinnstreben eines Unternehmens aus, dieses Gebäude verschwinden zu lassen.
Wikipedia
Sucht man auf Wikipedia nach Niederrad, so stösst man auf ein Foto mit dem Titel: „Kelsterbacher Straße mit Restbeständen historischer Bauten“. Am linken Rand ist das abrissgefährdete Wohnhaus zu sehen.
Restbestände — das trifft es. Und nun plant man, diese Restbestände zugunsten eines Neubaus weiter zu reduzieren …
Hallo!
Es ist die ehemalige Gaststätte Schwarze Katze … und eins von vielen alten Häusern in diesem Viertel!
Mein Lebensgefährte hat ein Haus in der Nebenstrasse in der 4. oder 5. Generation … geschätzt irgendwann um 1850. Auch wir haben Interesse an der ursprünglichen Geschichte des Hauses und am Erhalt dieser Häuser!