Akte Gerbhaus: drittes Kapitel
Der Denkmalschutz „macht ernst“
Natürlich konnte die Untere Denkmalschutzbehörde die eMail der „Oberen“ Denkmalschutzbehörde vom 16. September 2016 (siehe Kapitel 2) nicht ignorieren. Man musste etwas tun. Trotzdem waren die folgenden drei Monate laut Akte nicht von betriebsamer Hektik geprägt. Aber immerhin: Am 19. Dezember 2016 erging endlich der lange überfällige Bescheid, dass die Eigentümer das Dach schliessen müssen. Zugleich wurde die sogenannte „Ersatzvornahme“ angedroht: Sollten die Eigentümer binnen zwei Wochen nichts machen, würden die Arbeiten von der Unteren Denkmalschutzbehörde beauftragt.
Zeit ist ein Faktor!
Wie lange kann es in ein Gebäude hineinregnen, ohne dass die Schäden irreparabel werden? Müsste nicht jeder/jedem DenkmalschützerIn das Herz bluten, wenn das Wasser bereits seit Jahren durch das Gerbhaus läuft? Wie lange wollten diejenigen, die den sorgsamen Umgang mit Denkmalen sicherstellen sollen und dafür bezahlt werden, noch dabei zusehen?
Die Untere Denkmalbehörde entschloss sich zu einer Anhörung der Eigentümer. Endlich, so könnte man sagen. Man kann und sollte aber besser fragen: Warum erst jetzt? Wäre der Hinweis aus der Landesdenkmalpflege vom Freitag, dem 16. September 2016 nicht Anlass genug gewesen, am Montag, dem 19. September 2016 das Schreiben zur Anhörung der Eigentümer zu Papier zu bringen und abzuschicken? Warum wurde damit bis zum 14. November 2016, also 56 weitere Tage gewartet?
Nun, wir müssen offenbar dankbar sein, dass überhaupt etwas passierte nach all der Zeit. Sind wir also grosszügig und erkennen den Fortschritt an — denn es ist ja tatsächlich einer: Nach fast zwei Jahren wurde den Eigentümern nun durch diesen, auf die Anhörung folgenden, Bescheid vom 19. Dezember 2016 deutlich gemacht, dass es ernst wird: Das Dach sollte nun endlich repariert werden.
Dass diese Massnahmen bereits im Frühjahr 2015 hätte ergehen können, das wissen wir heute, weil wir die Akte kennen. Wie gut es gewesen wäre, wenn die Behörde diesen Bescheid bereits damals erlassen hätte, sollte sich bald zeigen.
Der Weg zum Bescheid
Nach dem Anhörungsschreiben gab es dann den Bescheid vom 19. Dezember 2016. Natürlich kann so eine Anordnung nicht „einfach so“ erlassen werden — schliesslich haben auch Menschen, die Denkmale vernachlässigen, Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren. Das bedeutete in diesem Fall Folgendes:
- Am 14. November 2016 wurden die Eigentümer angeschrieben, um sich zum Sachverhalt innerhalb von 14 Tagen zu äussern. Eine Äusserung der Eigentümer erfolgte nicht.
- Einen Monat später, am 13. Dezember 2016, beraumte der Denkmalpfleger einen „Ortstermin“ mit sich selbst in Bacharach an. Er stellte fest, dass eine Reparatur/Instandsetzung nicht erfolgt war.
- Daraufhin erging — binnen vier Arbeitstagen! — der Bescheid. Die plötzliche Eile überrascht, wenn man sich das Verfahren bis hierhin anschaut.
Still ruht der Denkmalschutz
Es war Weihnachtszeit 2016, die Feiertage standen vor der Tür. Wenn man den Wetteraufzeichnungen glauben kann, dann schwankten die Temperaturen in Bacharach um den Nullpunkt. In dieser unwirtlichen Zeit also sollten die Eigentümer jemanden finden, der das Dach schliesst. Ob der Glaube an das Christkind hilft, wenn man darüber nachdenkt, ob das Gerbhaus mit dem Bescheid vom 19. Dezember 2016 gerettet war?
Spendet der Gedanke Trost, dass die Wunden des Gerbhauses über die Weihnachtszeit möglicherweise unter einer dicken Schneeschicht verschwunden waren? Hatte vielleicht eine weisse Pracht das Elend gar bis in den Februar hinein gnädig zugedeckt?
Die Denkmalschutzbehörde sollte nach dem nun vollbrachten Kraftakt in winterliche Ruhe verfallen. Ob man hoffte, dass alles gut würde in dieser stillen Jahreszeit? Jedenfalls plante man erst mal nichts für die nächsten Wochen.
Der Wiedervorlagevermerk in der Denkmalakte lässt den Stellenwert der Rettung des Gerbhauses wieder einmal erkennen. Nicht etwa zwei Wochen nach Zustellung sollte die Akte wieder auf dem Schreibtisch der Denkmalpflege landen — in der Hoffnung, dass das spätestens Mitte Januar 2017 gewesen wäre — nein, erst am 10. Februar 2017 wollte der Denkmalpfleger die Akte wiedersehen …
„Wir haben alles Mögliche getan.“ Diesen Satz sollte man vielleicht ans Gerbhaus malen.
zum nächsten KapitelInhaltsverzeichnis
I. Aus der DenkmalakteEinleitung | Übersicht mit Kurzbeschreibung |
Kapitel 1: | Wie alles anfing |
Kapitel 2: | 19 Monate Untätigkeit der Denkmalschutzbehörde |
Kapitel 3: | Der Denkmalschutz „macht ernst“ |
Kapitel 4: | Briefe aus Ost und West |
Kapitel 5: | Ziehen Sie keine 4.000 Euro ein! |
Juli 2021: | Hartmut Fischer, Rheinischer Verein |
Juni 2021: | Keine Sperrung trotz akuter Gefahr! |
Oktober 2021: | Das sagen die Landtagsfraktionen — oder besser: Sagen die überhaupt etwas? |
März 2022: | Dr. Dagmar Aversano-Schreiber über das Gerberei-Handwerk in Bacharach und das Gerbhaus |
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