Akte Gerbhaus: zweites Kapitel
19 Monate Untätigkeit der Denkmalschutzbehörde
Wir wissen es alle: Papier ist geduldig. Akten sind es offenbar auch.
Die Untere Denkmalschutzbehörde hatte also spätestens seit Februar 2015 Kenntnis des Gerbhaus-Dachschadens und eine Akte dazu angelegt (siehe Kapitel 1). Die Sachlage war aufgrund des Schreibens der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises eindeutig: Es lag bereits damals eine schwere Gefährdung für dieses Kulturdenkmal, das im Zuständigkeitsbereich der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Mainz-Bingen liegt, vor.
588 Tage später
Wer nun eine emsige Tätigkeit des Denkmalschutzes als selbstverständlich annimmt, die oder der irrt sich. Bis zum 16.9.2016 tut sich in der Denkmalakte — nichts. Nach 588 Tagen ist die Akte nicht eine Seite dicker geworden. Es gab keine weiteren Schreiben der Bauaufsicht. Die Denkmalbehörde hat aber offenbar auch nicht nachgefragt: Es gibt keinen Aktenvermerk über irgendwelche geführten Gespräche. Die Aktivitäten der zuständigen Denkmalbehörde sind so wie die Akte zu diesem Zeitpunkt: sehr dünn.
Wir hätten nie gedacht, dass eine Denkmalschutzbehörde in einem so klaren Fall einer Gefährdung völlig untätig sein könnte. Neunzehn Monate des Abwartens sind für ein Gebäudes mit einem offenen Dach, in das Regenwasser hineinläuft, sicher keine gute Zeit.
Der Zufall schlendert durch Bacharach
Doch dann, irgendwann im September 2016, schlendert jemand vom Landesamt für Denkmalpflege zufällig durch Bacharach — und entdeckt das „marode Dach“. Die Person fragt per eMail nach bei der zuständigen Unteren Denkmalschutzbehörde. Nach 589 Tagen wächst die Akte um ein Blatt.
Was wäre ohne diesen zufälligen Spaziergang passiert? Die Akte der Unteren Denkmalschutzbehörde ergibt, dass sich sonst niemand um das Schicksal des Gerbhauses gekümmert hat. Es gab keine Anfragen der Stadt Bacharach oder Bacharacher BürgerInnen bei der Behörde. Nahm man das Gebäude in Bachrach selbst nicht wahr? Hat die Behörde im Landkreis das Denkmal vergessen?
Schaun mer mal?
Aber zurück zu der erwähnten eMail, die immerhin von der Landesbehörde kommt. Es ist für Aussenstehende verwunderlich, wenn dort geschrieben wird:
„Wir können ja mal bei Gelegenheit darüber sprechen, ob und wie wir damit umgehen wollen.“
- … bei Gelegenheit? Was macht der Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, wenn keine Gelegenheit kommt? Ist dann alles gut?
- … ob wir damit umgehen wollen? Ja, überlegt man im rheinland-pfälzischen Denkmalschutz in solchen Fällen (das „marode Dach“ wird ausdrücklich erwähnt!) tatsächlich, ob man überhaupt einschreitet?
- … wie wir damit umgehen wollen? Es wäre zu vermuten, dass die gesetzliche Handhabe, die das Denkmalschutzgesetz des Landes Rheinland-Pfalz vorgibt, keine Frage nach dem „wie“ offen lässt.
Neunzehn Monate sind also mittlerweile vergangen — tatenlos. Wie mag es weitergehen in der Geschichte, von der die Stadt Bacharach und die Untere Denkmalbehörde im Mai 2021 behaupten, man habe „alles Mögliche“ getan?
Schaun mer mal — um die Denkweise des Denkmalschutzes in diesem Fall aufzugreifen.
Inhaltsverzeichnis
I. Aus der DenkmalakteEinleitung | Übersicht mit Kurzbeschreibung |
Kapitel 1: | Wie alles anfing |
Kapitel 2: | 19 Monate Untätigkeit der Denkmalschutzbehörde |
Kapitel 3: | Der Denkmalschutz „macht ernst“ |
Kapitel 4: | Briefe aus Ost und West |
Kapitel 5: | Ziehen Sie keine 4.000 Euro ein! |
Juli 2021: | Hartmut Fischer, Rheinischer Verein |
Juni 2021: | Keine Sperrung trotz akuter Gefahr! |
Oktober 2021: | Das sagen die Landtagsfraktionen — oder besser: Sagen die überhaupt etwas? |
März 2022: | Dr. Dagmar Aversano-Schreiber über das Gerberei-Handwerk in Bacharach und das Gerbhaus |
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