Akte Gerbhaus: erstes Kapitel
Wie alles anfing
Es ist Ende Juni 2021, wir sind wegen dieser Sache das zweite mal unterwegs nach Bacharach. Es regnet teils heftig. Wir schauen uns an und haben den selben Gedanken: Ob die schweren Niederschläge der letzten Tage weiterhin ungehindert in das Gerbhaus gelangen? Vor Ort zeigt der erste Blick: Der Zustand des historischen Gerbhauses hat sich nicht verändert. Eine von uns vor Wochen bei der Denkmalschutzbehörde angemahnte Notsicherung (siehe Kasten) hat immer noch nicht stattgefunden. Warum ist das so?
„Wir haben alles Mögliche getan!“
Die Behauptungen der Stadt und der Unteren Denkmalschutzbehörden am Telefon — beide Aussagen sind gerade mal vier bis sechs Wochen alt — waren gleichlautend: Man habe alles Mögliche getan. Stimmt diese Aussage? Wir werden es im Laufe unserer aktuellen Recherchen herausfinden — sind aber von Beginn an bekennend skeptisch, denn:
Wie kann ein so offensichtlicher Verfall eines Kulturdenkmals unter den Augen der Denkmalschutzbehörde passieren? Wieso drängt die Stadt Bacharach, die gerne für sich als „heimliche Hauptstadt der Rheinromantik“ wirbt, nicht vehement und vor allem erfolgreich auf Abhilfe?
Wann ging alles los?
Bei unserem ersten Besuch in Bacharach im April 2021 hatte uns unter anderem interessiert, wie lange das Dach des Gebäudes schon offen steht, es also hineinregnet. Die Aussagen waren vage, deuteten aber auf eine lange Zeit hin: „Nicht erst seit zwei Jahren“, „schon lange“ oder gar „kann mich nicht mehr erinnern“ waren Antworten auf unsere Fragen.
Anhand der uns nunmehr zur Verfügung stehenden Akte der Unteren Denkmalschutzbehörde konnten wir feststellen, dass das Dach bereits viel länger beschädigt ist, als wir ahnten. Die Schäden sind bereits seit dem 5. Februar 2015 aktenkundig. Die Untere Bauaufsichtbehörde beim Landkreis Mainz-Bingen (Sitz: Ingelheim am Rhein) schrieb die damaligen Eigentümer wegen der schweren Schäden an. Sie wurden auf die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hingewiesen, hervorgerufen durch herabfallende Dachteile des Gerbhauses.
Aktenkundiger Dachschaden: bereits vor 2015
Somit kann festgehalten werden, dass eine Beschädigung des Dachs — und somit ein Hereinregnen in das Denkmal — bereits deutlich vor Februar 2015 stattgefunden haben muss.
Mittlerweile — zur Zeit dieser Dokumentation ist es Juli 2021 — sind sechseinhalb Jahre vergangen. Das Dach ist nach wie vor offen. Es regnet ständig in das Gebäude hinwein.
Wie kann ein „alles Mögliche getan“ zu so einem Ergebnis führen?
zum nächsten KapitelInhaltsverzeichnis
I. Aus der DenkmalakteEinleitung | Übersicht mit Kurzbeschreibung |
Kapitel 1: | Wie alles anfing |
Kapitel 2: | 19 Monate Untätigkeit der Denkmalschutzbehörde |
Kapitel 3: | Der Denkmalschutz „macht ernst“ |
Kapitel 4: | Briefe aus Ost und West |
Kapitel 5: | Ziehen Sie keine 4.000 Euro ein! |
Juli 2021: | Hartmut Fischer, Rheinischer Verein |
Juni 2021: | Keine Sperrung trotz akuter Gefahr! |
Oktober 2021: | Das sagen die Landtagsfraktionen — oder besser: Sagen die überhaupt etwas? |
März 2022: | Dr. Dagmar Aversano-Schreiber über das Gerberei-Handwerk in Bacharach und das Gerbhaus |
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