Akte Gerbhaus
„Akte Gerbhaus“ ist ein Dokumentationsprojekt der IRHB zum gefährdeten historischen Gerbhaus in Bacharach. Um herauszubekommen, warum das Kulturdenkmal in einem so schlechten Zustand ist, haben wir im Mai 2021 die Denkmalakte angefordert — und pünktlich¹ erreichte uns tatsächlich eine Kopie der Denkmalakte. Um genau zu sein: Es erreichte uns eine Kopie von Teilen der Denkmalakte.²
Der Inhalt der Akte ermöglicht einen interessanten Blick hinter die Kulissen der Vorgänge. Wir haben uns dafür entschieden, dieses Dokumentations-Projekt ins Leben zu rufen. Das Ziel ist es, die Inhalte der Akte in möglichst verständlicher Form aufzuarbeiten. Das machen wir öffentlich und Schritt für Schritt — aus zwei Gründen:
- Die Lektüre von Akten kann durchaus verwirrend sein, wenn sie nicht zum täglichen Geschäft gehört. Durch die schrittweise Aufbereitung wollen wir eine erkennbare Struktur sichtbar machen.
- Es stecken so viele Details in der Akte, dass wir uns einfach die notwendige Zeit nehmen wollen, um eine sorgfältige Auswertung zu erreichen.
Wir werden sowohl die wichtigsten Dokumente online zur Verfügung stellen, als auch Einordnungen der Sachverhalte vornehmen.
Verfolgen Sie also hier die Aufarbeitung des bemerkenswerten (Ver-)Falls des Bacharacher Gerbhauses.
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1 Pünktlich bedeutet in diesem Fall: Die Unterlagen sind bei uns gerade noch ein gegangen, bevor wir den Tranzparenzbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz über die Nichtversendung der Akte durch die Untere Denkmalbehörde schriftlich informert hatten. Das rheinland-pfälzische Landestransparenzgesetz sieht eine „unverzügliche“ Information vor, spätestens jedoch nach einem Monat nach Eingang des Antrags. Diese Frist wurde nicht eingehalten.
2 Anhand von Hinweisen auf andere Schriftsätze sowie beispielsweise aufgrund fehlender Zustellungsnachweise ist der Kopie der Akte zu entnehmen, dass sie nicht vollständig ist. [Nachtrag vom Oktober 2021: Aus der uns mittlerweile zugegangenen Akte der Bauaufsicht ergibt sich anhand einer dort gefundenen eMail-Korrespondenz nun eindeutig, dass die uns überlassene Kopie der Denkmalakte unvollständig ist.]
Die Kapitel der Dokumentation
Wie alles anfing
Irgendwann im April 2021 bekamen wir den Hinweis auf das schwer gefährdete Bacharacher Gerbhaus. Einige AktivistInnen vor Ort lieferten uns Details. Wir nahmen das Kulturdenkmal in die IRHB-Liste auf.
Je mehr wir erfuhren, desto unklarer wurde, warum die Denkmalbehörde hier keine Sicherung vorgenommen hatte. Also wendeten wir uns an die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) in Mainz — das ist das Landesdenkmalamt in Rheinland-Pfalz.
Was letzlich dabei herauskam, ist zum Teil kaum zu glauben. „Funktioniert“ Denkmalschutz auf diese Weise?
zum ersten Kapitel19 Monate Untätigkeit der Denkmalschutzbehörde
Wir hätten nie gedacht, dass eine Denkmalschutzbehörde in einem so klaren Fall einer Gefährdung dermassen untätig sein könnte. Im Februar 2015 bekam man dort Kenntnis vom Bachracher Gerbhaus-Fall. Es folgten 19 Monate des Abwartens. Das ist für ein Gebäudes mit einem offenen Dach, in das Regenwasser hineinläuft, sicher keine gute Zeit.
Woher wir das wissen? Nun, wir haben die Akte der Unteren Denkmalbehörde angefordert. Somit können wir das Vorgehen der Behörden nicht nur dokumentieren, wir können es auch belegen.
zum zweiten KapitelDer Denkmalschutz „macht ernst“
Die Anfrage des Landesamts in Mainz erreichte die Untere Denkmalschutzbehörde — zu Recht, denn es geschah nichts, um den Zustand des Gerbhauses zu verbessern. Nun musste man also tätig werden. Trotzdem dauerte es lange, bis man sich bewegte.
Briefe aus Ost und West
Eigentlich herrschte Ruhe. Dass es im Herbst/Winter 2016/2017 weiterhin ungehindert in das Gerbhaus hineinregnete, schien die Behörden nicht besonders zu beschäftigen.
Unerwartete Post aus weiter Ferne brachte diese Ruhe etwas durcheinander: Eine/r der EigentümerInnen meldete sich zum Jahreswechsel — was keinen Grund für Hektik im Amt darstellte. Die Anfrage eines Kaufinteressenten im September 2017 war auch kein Aufreger. Erst eine weitere Sachstandsanfrage aus dem Landesamt war dann Auslöser für Aktivitäten.
zum vierten KapitelZiehen Sie keine 4.000 Euro ein!
Betrachtet man den Verlauf der Akte bis hierher, also bis zum November 2017, so wird deutlich, dass die Eigentümer für die Behörde immer weniger greifbar wurden. Es ist Zeit, einen Blick auf diese Leute zu werfen.
Die Untere Denkmalschutzbehörde versuchte mittlerweile, den Eigentümern eine Ordnungswidrigkeit anzuhängen. Welchen Nutzen das dem Denkmal gebracht hätte, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
Und endlich entschloss man sich zu einer Ersatzvornahme! Es wäre aber doch irgendwie ungewöhnlich für dieses Verfahren gewesen, wenn das geklappt hätte.
zum fünften KapitelDie Expertenmeinung
Hartmut Fischer vom Rheinischen Verein hat sich mit dem Fall beschäftigt. WIr freuen uns über seine sach- und fachkundige Einschätzung.
zur ExpertenmeinungGerbhaus: Gefahr im Verzug!
Vom stark beschädigten Gerbhaus geht eine akute Gefahr für PassantInnen aus — trotzdem gibt es keine Sicherungsmassnahmen durch die Behörden.
Seit dem 15. Juni 2021 ist es Bestandteil der Bauamtsakte: Ein Gutachten zum Zustand des Bacharacher Gerbhaus stellt fest, dass der südliche Dachstuhl jederzeit abrutschen und auf den Burgweg fallen kann. Die zuständige Bauaufsicht hat jedoch mehr als vier Monate keine Schutzmassnahmen für die Bevölkerung ergriffen.
Gefahr im Verzug!Was sagen die Landtagsfraktionen?
Was macht man, wenn unsere gesellschaftlichen Mechanismen versagen? Na klar: Wir haben bei den PolitikerInnen nachgefragt.
Dabei haben wir uns hilfesuchend an die Landtagsfraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP und FW gewendet. Sie ahnen, wie deren Reaktionen ausfielen? Es gab aber Unterschiede — lesen Sie diese in unserem Bericht nach.
Reaktionen zur AnfrageWer es bis hierher geschafft hat, benötigt vielleicht ein wenig Entspannung?
Und es regnet, regnet, regnet — ins Gerbhaus seit mehr als sieben Jahren. Aktenkundig.
Es ist unwahrscheinlich — aber möglich: Sie haben die Petition noch nicht unterschrieben?
Na, dann aber los: Hier können Sie das in wenigen Augenblicken nachholen.